Bild des Monats
Er sieht aus wie ein ganz „normales“ Porsche-G-Modell, hat aber 210 PS unter der Haube – der Porsche 911 2.7 MFI von 1974 ist ein Wolf, im Schafspelz getarnt
Das beste Erlebnis mit meinem „Neunelfer“ von 1974 hatte ich bei einer Rallye in Südfrankreich. Geplant war eine Fahrt nach Saint Paul de Vence und dann eine Woche lang Tagesfahrten auf den legendären Radrennstrecken, auf denen die Fahrer der Tour de France hochstrampeln.
Aber gleich am ersten Tag in der Provence hatte ich Kupplungsprobleme und musste die Gruppe ziehen lassen.
Statt zu fahren stand ich erstmal vier Stunden in einer Werkstatt.
In irgendeiner französischen Werkstatt, denn, das muss man jetzt auch mal dazusagen, bei so einem Porsche kann man überall auf der Welt mit einem Hammer, einer Wassserpumpenzange und einem Schweißgerät fast alles reparieren.
Zum Mittag ist der Wagen fertig, und ich stehe am Fuß des Mont Ventoux und hole mir am Kiosk eine Flasche Sprudel und überlege: Fahre ich jetzt über den Mont Ventoux der Gruppe hinterher – die waren ja vier Stunden vor mir – oder fahre ich die Strecke rückwärts und begegnen ihnen da?
Und ich denke mir, bevor ich jetzt rückwärts fahre und nur den halben Fahrspaß habe, genieße ich doch lieber den Mont Ventoux.
Genau in dem Moment, in dem ich vom Parkplatz ausbiegen will – hinter mir zwanzig Ferraris!
Alle am Straßenrand aufgereiht… und alle in Kampfstellung.
Die hatten sich gerade formiert, um da ein privates Rennen hoch zu machen.
Natürlich beobachten sie mich… und in dem Augenblick, in dem sie losfahren, fahr ich auch los!
Ich glaub, ich hab gehört, wie die alle „Scheiße“ schreien. Dass sie jetzt so einen Idioten vor sich haben. So einen dämlichen deutschen Porsche.
In der Ortschaft bin ich erstmal noch mit 50, 60 gefahren. Und ab dem Schild „Freie Fahrt“ habe ich alles gegeben…
Die Strecke ist etwa zehn Kilometer lang, und im Ergebnis war’s so, dass ich auf dem letzten Kilometer eineinhalb Kurven Vorsprung hatte.
Die habe ich dann ausgenutzt: Oben auf der Plattform habe ich das Auto mit der Handbremse abgebremst, dass ich aus dem ausrollenden Fahrzeug rausspringen kann, und hab mich binnen einer Sekunde ganz lässig so hindrapiert, als würd ich schon fünf Minuten am Auto lehnen, mit der Zigarette in der Hand.
Die hatten keine Chance. Das Auto ist konkurrenzlos.
Eintausend Kilo, 210 PS, überdimensionierte Scheibenbremsen, fünf Gänge, wie dafür abgestimmt, Motordrehzahl über 8.000… es war seiner Zeit um Lichtjahre voraus.
„Der Carrera von 1974 ist konkurrenzlos – er war seiner Zeit um Lichtjahre voraus.“
Unter den vielen Porsche 911ern die ich in den vergangenen fünf Jahrzehnten und bis zum heutigen Tag schätzen und lieben gelernt habe, gab es ganz wenige Ausreißer, die so charakterstark waren, dass man sie auf Anhieb erstmal gar nicht mochte.
Die so eine abrupte Leistungsentfaltung hatten, dass sie im Prinzip mit normalen Fahrkenntnissen nicht auf der Straße zu halten waren.
(Es gab sogar die Sage, wonach einer von fünf Turbos des Modells 930 die Woche, in der er ausgeliefert wurde, nicht überlebt hat. Das sagt viel über ein Auto.)
Ein ganz ähnliches Gefühl vermittelte der 911 Carrera RS von 1972 – als Porsche neue Maßstäbe setzen wollte und aus einem 2.7-Liter-Motor mit mechanischer Einspritzung 210 PS herausholte.
Wie gesagt, wir reden hier von den frühen 70er Jahren, als normale Autos 50 oder vielleicht auch mal 70 PS hatten.
Dieses Modell wurde später bekannt als „Entenbürzel“: Es war der erste Porsche mit Heckspoiler, wo man sich gefragt hat, muss das sein, so ein komisches, schräg gestelltes Brett auf dem Motordeckel?
Aber Porsche hat den Spoiler – um den Abtrieb zu erhöhen – sozusagen bei für die Straße zugelassenen Fahrzeugen erfunden. Das gab es zuvor nur im Rennsport.
Und dieser besagte Porsche Jahrgang 1972 sollte in einer kleinen Auflage von 1.000 Exemplaren verkauft werden – soviel waren nötig für die behördliche Zulassung. Letztendlich wurden es 1590 Fahrzeuge.
Aber es gab deutlich mehr Motoren. Deshalb hat man sich entschlossen, die letzten Triebwerke von 1974 an in das bereits lieferbare G-Modell einzubauen, sozusagen als Wolf im Schafspelz – und in ein paar Targas, heute bekannt als MFI, für Mechanical Fuel Injection.
Diese Kombination – aus der „braven“ Karrosserie und dem „scharfen“ Triebwerk – war natürlich der Oberwolf im Schafspelz.
Das „PorscheKlassik“-Magazin hat mir zu seinem 10-jährigen Jubiläum die Titelgeschichte gewidmet – und mich bei einer Ausfahrt mit dem Targa begleitet
Ein Schönwetterauto für „Weicheier“, die womöglich wirklich offen fahren, mit Schal um den Hals, oder als Dame mit Kopftuch. Und das mit dem Rennmotor aus dem Bürzel-Elfer, der nur mit dem Heckspoiler fahren konnte… es war wirklich eine verrückte Zeit.
So gab es 1974 im Modell-Portfolio von Porsche drei Varianten, die nahezu gleich aussahen und auch in der Werbung damals so nebeneinander standen: Ein Porsche 911 mit 150 PS, einer mit 175 PS und dann der mit 210 PS. „Es war schon immer etwas teurer, etwas Besonderes haben zu wollen“, war die Headline in der doppelseitigen Anzeige.
Bei der normalen Motorisierung kam die sogenannte K-Jetronic ins Spiel: Das war eine Einspritztechnik, die elektronisch gesteuert war. Dadurch wurden die Autos sparsamer und umweltfreundlicher, aber sie waren natürlich wie kastriert.
Und daneben dieses 210-PS-Auto, das damals so unnütz wie sonstwas war – und dann noch als Targa!
Aber ein paar Menschen wollten es haben, und dieses Auto ist heute der legendäre Wolf-im-Schafspelz-Porsche.
>> Mit dem Porsche 911 von 1974 bei der Arlberg Classic – hier siehst du die sechs besten Oldtimertreffen
Er sieht aus wie ein normaler Porsche, meiner hier zum Beispiel, schick rot, der Bügel noch nicht mal in Schwarz beschichtet, sondern noch in gebürstetem Edelstahl.
Er hat ein bisschen breitere Räder, ist ein bißchen tiefer, hat ein bißchen andere Stabilisatoren… er sieht unspektakulär aus. Aber alles an diesem Wagen ist fünfmal besser als Serie.
Und der Motor hat halt 210 PS und 2.7 Liter Hubraum – und einen Hochdrehzahlmotor. Das sind Motoren, die man besonders hoch drehen kann, und das kannst du dir gar nicht vorstellen, was das für ein Glücksgefühl ist, wenn man so ein Auto fährt.
Mechanisch gibt es nichts Feineres. Ich vergleiche es gern mit einer Uhr, die 20 oder mehr Anzeigen hat, in der sind 700 oder 800 Teile verbaut, und manche sagen dann – „oh, die ist aber schwer, da kauf ich mir lieber eine Swatch“.
Und andere sagen: „Wahnsinn, die hat 800 Teile in einem Gehäuse, da arbeitet ein Uhrmacher ja ein Jahr lang dran.“ Und ich denk mir, nein, zwei Jahre – deshalb gibt es jährlich bloß fünf Stück davon.
Da muss man ein Faible haben für technische Finesse, klar.
Das ist für mich das Besondere an dem Auto, und deshalb musste ich irgendwann einen haben – und deshalb ist er mein Lieblings-Porsche.
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